Kurt Tucholsky – Das Ideal

 

KURT TUCHOLSKY

DAS IDEAL

 

Ja, das möchste:

Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,

vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;

mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,

vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –

aber abends zum Kino hast du’s nicht weit.

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer, – nein, doch lieber zehn!

Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,

Radio, Zentralheizung, Vakuum,

eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,

eine süße Frau voller Rasse und Verve –

(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) –,

eine Bibliothek und drumherum

Einsamkeit und Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponys, vier Vollbluthengste,

acht Autos, Motorrad – alles lenkste

natürlich selber – das wär’ ja gelacht!

Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.

Ja, und das hab’ ich ganz vergessen:

Prima Küche – erstes Essen –

alte Weine aus schönem Pokal –

und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.

Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.

Und noch ’ne Million und noch ’ne Million.

Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.

Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.

Ja, das möchste!

Aber, wie das so ist hienieden:

manchmal scheint’s so, als sei es beschieden

nur pöapö, das irdische Glück.

Immer fehlt dir irgendein Stück.

Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;

hast du die Frau, dann fehl’n dir Moneten –

hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:

bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer.

Tröste dich.

Jedes Glück hat einen kleinen Stich.

Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.

Daß einer alles hat:

das ist selten.

 

 

Hardcover , Leinenbindung,  Format 17 x 27 cm | 2 Unikate. 

Kombination aus Flachdruck und Tuschezeichnung